Bürger berichten von den Schwachstellen im Hochwasserschutz

Das Hochwasser von Mitte August hatte viele Bürger Bad Sodens bass erstaunt. Keiner konnte sich so recht erklären, woher das viele Wasser kam, das Straßen flutete, Keller und Tiefgaragen volllaufen und das Freibad im Altenhainer Tal regelrecht absaufen ließ. Die SPD Bad Soden nahm das Extremereignis zum Anlass, kurzfristig einen Online-Themenabend abzuhalten. Viele Bürger beteiligten sich an der Videokonferenz. Die Berichte legen nahe, dass die Hochwassergefährdung zugenommen hat, ohne dass Bad Soden ausreichend gegen zunehmende Wetterextreme gewappnet ist.

Bild: Helmerich (SPD)

„Der Titel des Abends „Jahrhundertflut – alle zehn Jahre“ war bewusst provokant gewählt“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Jan Willemsen, der den inhaltlichen Input zu dem Online-Abend am vergangenen Donnerstag lieferte. Knapp 30 Bürger hatten sich in die Video-Konferenz eingewählt. „Uns war es wichtig im Dialog herauszufinden, wo waren die Schwachstellen, die ein kontrolliertes Abfließen des Wassers verhindert haben und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit solche Extremereignisse besser gemeistert werden können.“

Am 14. August kamen mehrere negative Faktoren zusammen. Durch die anhaltende Trockenheit waren die Böden kaum aufnahmefähig, als innerhalb von zwei Stunden über 90 Liter pro Quadratmeter Regen fiel – mehr als normalerweise in einem Monat. Wie Anwohner berichteten war das Hochwasserrückhaltebecken am Niedersdorfbach zwischen Neuenhain und Bad Soden von der Regenmenge überfordert. Es ist für ein Hochwasserereignis ausgelegt, das im statistischen Mittel alle zwölf Jahre vorkommt. Am 14. August aber kam es zu einem Starkregen mit einem Wiederkehrintervall von weit mehr als 100 Jahren. Eine gewaltige Wassermenge floss vom Dachberg über einen Wirtschaftsweg an Damm und Rückhaltebecken einfach vorbei und schoss über die Königsteiner Straße ungebremst talwärts. Mit üblen Folgen für die Altstadt und für die Häuser am Yoro-Cho-Kreisel. Dort flutete das Wasser die Tiefgaragen von Tegut und der Wohnanlage Gartenstraße/Richard-Wagner-Straße so schnell, dass die Bewohner ihre Autos nicht mehr rausbekamen.

Flutschäden von über einer Million

Bei einem Ortstermin mit den Anwohnern diesen Montag konnten sich Vertreter der SPD einen direkten Eindruck von den Folgen machen. Weil die Aufzugsschächte vollgelaufen waren, sind die acht Lifte auch drei Wochen nach dem Hochwasser nicht benutzbar. Die Bewohner der roten Mehrfamilienhäuser hatten tagelang keinen Strom und kein warmes Wasser. Sämtliche in den Kellern gelagerten Gegenstände, unter anderem fast 70 Waschmaschinen, sind unbrauchbar. Über zwanzig Container füllten die Bewohner mit den Gegenständen, die in den überschwemmten Kellern zerstört wurden. Etwa 35 Autos, die in der überfluteten Tiefgarage standen, sind Schrott. „Wenn man zusammenrechnet, was auf die Eigentümergemeinschaften und die Privathaushalte zukommt, liegt der Schaden bei weit über einer Million Euro“, erklärt die Bewohnerin Gaby Wittendorfer.

Die zwei Eigentümergemeinschaften der Wohnanlage an der Gartenstraße und Richard-Wagner-Straße sind gleichermaßen von den Schäden und immensen Kosten betroffen. Wie der Bewohner und Verwaltungsbeirat Gert Reimer berichtete, suchen die Betroffenen jetzt das Gespräch mit der Stadt, denn die Hochwassergefährdung gerade an diesem tiefsten Punkt in der Stadt ist offenkundig. Bereits beim Hochwasser 2007, als die Anlage gerade im Entstehen war, lief die Baugrube voll. 2014 flutete ein Starkregen die Tiefgarage und die Aufzugsschächte.  „Damals sagte man uns in der Stadtverwaltung, dass es sich um ein statistisch alle 45 Jahre auftretendes Niederschlagsereignis handelt. Jetzt nur sechs Jahre später hat es uns noch weitaus schlimmer getroffen“, sagt Reimer.

„Für uns als SPD ist klar, dass man mit rein statistischen Werten auf Basis der Vergangenheit nicht weiter kommt. Sie sind aufgrund des Klimawandels nur noch begrenzt aussagefähig“, sagte die Ortsvereinsvorsitzende Friederike Wiertulla. „Unser Fazit aus dem Austausch mit den Bürgern ist, dass hier alle Bausteine des Hochwasserschutzes auf den Prüfstand kommen müssen und die Stadt aktiv werden muss. Wir brauchen im Altenhainer Tal, auf dem Dachberg und entlang des Niedersdorfbachs mehr Retentionsflächen, wo sich das Wasser ausbreiten kann, und Rückhaltebecken, in denen es gepuffert werden kann. Es muss durch geeignete Maßnahmen abgebremst und abgeleitet werden, damit gar nicht so viel Wasser unten im Tal ankommt und Schaden anrichtet.“ Auch muss das Gespräch mit dem Abwasserverband darüber geführt werden, wo die Ursachen liegen und wo Handlungsbedarf besteht. Die SPD-Fraktion will laut Fraktionsvorsitzender Jan Willemsen das Thema in den städtischen Gremien rasch auf die Tagesordnung bringen. „Denn es wäre töricht zu glauben, dass mit solchen Regenmassen erst in 100 Jahren wieder zu rechnen ist.“

Die Präsentation zur Veranstaltung gibt es zum Nachlesen hier.