In einem Facebook-Posting stellt der offizielle Account des Main-Taunus-Kreises besonders die 100-prozentige Aufklärungsquote bei häuslicher Gewalt hervor. Unpassend, findet die SPD, und fordert anlässlich des Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen mehr Konzentration auf die aktive Erfüllung der Vorgaben der Istanbul-Konvention, wie bereits mehrfach von der SPD vorgebracht.
„Das ist billige Augenwischerei und geradezu zynisch“ findet Gisela Stang, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Main-Taunus mit Blick auf das Posting, „es liegt in der Natur der Sache, dass bei häuslicher Gewalt in den eigenen vier Wänden die Täterfrage in aller Regel offensichtlich ist und die Aufklärungsquote daher rein gar nichts aussagt. Mit solchen plakativen Zahlen den Eindruck zu vermitteln, man habe alles im Griff, ist absolut unpassend.“ Denn gerade während der Pandemie haben die Fälle häuslicher Gewalt – vornehmlich gegen Frauen – erheblich zugenommen. Die Kriminalstatistik weist eine Zunahme gegenüber der Zeit vor der Pandemie um rund ein Drittel aus. Ungleich bedeutsamer sei daher, dass Landrat Michael Cyriax, seit der Streichung des vollwertigen Frauendezernats unter der aktuellen Kreiskoalition aus CDU, FDP und Grünen formal oberster Frauenbeauftragter des Kreises, und der Kreisausschuss dafür Sorge tragen müssen, die wichtige und engagierte Arbeit der freien Träger in der Präventionsarbeit zuverlässig und langfristig zu fördern und beispielsweise immer ausreichende Wohnplätze im Frauenhaus zu ermöglichen. Eine durchgehende Auslastung des Frauenhauses von deutlich über 90 Prozent mache dringend eine realistische Bestandsaufnahme erforderlich, um dies immer zu gewährleisten. In ganz Hessen gebe es hier erheblichen Nachholbedarf, auch weil Maßnahmen wie die Erweiterung der Stabsstelle Frauenpolitik durch die Hessische Landesregierung viel zu langsam vorangekommen seien.
„Nach den gerade in der Pandemie gestiegenen Zahlen von häuslicher Gewalt sollte diese nicht nur Thema am heutigen Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen sein, sondern den politisch Verantwortlichen im Kreis immer bewusst bleiben und sie zu mehr Aktivität anspornen. Jeder der 427 Fälle, die in der letzten Kriminalstatistik für 2021 im MTK ausgewiesen wurden, ist einer zu viel!“ so Stang weiter. Jedoch werfe gerade das bremsende Verhalten der Kreiskoalition aus CDU, FDP und Grünen bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) – die von Landrat Cyriax auch schon mal als „Pamphlet“ geschmäht wird – erhebliche Fragen auf. Schon 2020 stellten SPD und auch die Linke im Main-Taunus-Kreis zwei Anträge, um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und konkrete Schritte anzumahnen. Über zwei Jahre verhinderte das wiederholt hinhaltende Verhalten der Kreiskoalition weitere Schritte, bevor letztlich eine deutlich abgeschwächte Beschlussfassung mit deren Mehrheit erfolgte (Hintergründe s.u.). Zum wichtigen Thema Beweissicherung als Soforthilfe nach Vergewaltigungen hat die SPD nun daher schon einen gesonderten Antrag gestellt, der in der letzten Sitzung des GSI-Ausschusses einstimmig angenommen wurde.